Laut wissenschaftlicher Studien leiden 90 Prozent der demenzkranken Bewohner von Pflegeeinrichtungen unter Apathie, einer ausgeprägten Teilnahmslosigkeit, die zu den häufigsten Verhaltensänderungen bei Menschen mit Demenz zählt. Während Apathie die Mobilität, die Koordination und die Muskelkraft beeinträchtigt, wirken sich körperliche Bewegung und Freizeitaktivitäten positiv auf das körperliche, kognitive und emotionale Wohlbefinden von Menschen mit Demenz aus. Die Tovertafel, eine Pflegeinnovation aus den Niederlanden, kommt seit Herbst 2020 auf der Station St. Elisabeth, einer der beiden gerontopsychiatrischen Stationen des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee, zum Einsatz. Perspektivisch soll sie auch auf der zweiten gerontopsychiatrischen Station in das pflegerisch-therapeutische Angebot aufgenommen werden.
Im Jahr 2009 startete die Industriedesignerin Hester Le Riche eine Doktorarbeit an der Technischen Universität Delft. Ihre Dissertation „Playful Design for Activation" („Spielerisches Design zur Aktivierung") beinhaltet einen evidenzbasierten Ansatz zur Entwicklung eines Produktservicesystems, das zur Stimulierung der körperlichen Aktivität von Menschen mit schwerer Demenz beiträgt und die die Apathie in den späteren Phasen der Demenz durchbricht. Jahrelang hatte sich die Niederländerin dazu mit Pflegeexperten, Bewohnern von Pflegeheimen und deren Familien ausgetauscht.
Lichtprojektionen laden zur Interaktion ein
Die Tovertafel durchbricht die Apathie auf innovative und effektive Weise, indem sie Menschen mit gemäßigter bis schwerer Demenz und deren Pflegende oder Angehörige mit interaktiven Lichtprojektionen zum Spielen einlädt. Die Spiele, die speziell für die Zielgruppe entwickelt wurden, zeigen vielfältige positive Effekte. So reduziert der Einsatz der Tovertafel unruhiges und angespanntes Verhalten sowie negative Gefühle. Sie schafft positive Emotionen und stärkt durch den intuitiven Ansatz das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Zudem erhöht sie die körperliche und soziale Aktivität und bringt Freude.
„Auch wir Pflegenden profitieren von der Tovertafel", erklärt Christian Drathschmidt, Demenzbeauftragter im gerontopsychiatrischen Bereich des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee. „Sie unterstützt uns dabei, mit den demenziell erkrankten Patienten in Kontakt zu treten beziehungsweise die Interaktion und damit die Beziehung zu ihnen zu verbessern", führt der examinierte Altenpfleger aus. „Letztlich schafft die Tovertafel eine gute Atmosphäre und schenkt mit ihren farbenfrohen und interessanten Spielen Freude", so Drathschmidt.
Fische, Strandball, Weltall, Blumen, Blätter, Schmetterlinge, Seifenblasen, Sprichwörter: So heißen die verschiedenen interaktiven Spiele, die über ein an der Decke hängendes Gerät auf einen handelsüblichen Tisch projiziert werden. Über eine Skala ist ersichtlich, welchen Schwerpunkt das jeweilige Spiel setzt – kognitiv, sozial, physisch.
„Wir haben die Tovertafel als innovatives Pflegeinstrument intensiv im stationären Einsatz getestet", berichtet Frauke Förster, Pflegedirektorin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee. „Nach unserer Evaluation haben wir uns dazu entschieden, das Gerät anzuschaffen, denn der Nutzen für die Patientinnen und Patienten hat sich klar erwiesen. Perspektivisch werden wir auch die zweite gerontopsychiatrische Station damit ausstatten", sagt Förster.