„Nur ein bisschen Burn-Out…?
Ständige Erreichbarkeit, Druck am Arbeitsplatz, Belastungen in der Familie – es gibt viele Gründe, weshalb Menschen chronisch erschöpfen und dann letztlich innerlich ausbrennen. „Die chronische Erschöpfung ist eine anerkannte Erkrankung, die oft schleichend daherkommt und vielfach unterschätzt wird“, beschreibt Dr. Matthias Schubring, Ärztlicher Direktor der St. Antonius Klinik Hörstel.
Beim zweiten AlexTalk, einer gemeinsamen Informationsveranstaltung der IVZ und der Alexianer in Hörstel zu Themen der seelischen Gesundheit, wird es am 14. November diesmal umfassend um die chronische Erschöpfung, dem so genannten Burn-Out mit all` seinen Risiken und Nebenwirkungen, gehen. Neben Schubring als erfahrener Arzt und Psychotherapeut wird dabei Vanessa Rietmann, Leiterin des Instituts zur Gesundheitsförderung, auch einen besonderen Fokus auf die Möglichkeiten der Prävention im beruflichen wie auch privaten Umfeld legen.
18 Uhr im Südstadtquartier
Tobias Vieth, Redaktionsleiter dieser Zeitung, wird die zweite gemeinsame Informationsveranstaltung in der IVZ um 18 Uhr im Südstadtquartier moderieren. „Nach der großen Resonanz beim ersten AlexTalk zum Thema Depressionen möchten wir somit quasi noch einen Schritt vorher ansetzen, um dem Schlittern in eine ernsthafte psychische Erkrankung rechtzeitig vorzubeugen“, betont Schubring. Denn die chronische Erschöpfung gehe den Depressionen, aber auch anderen psychischen Erkrankungen, häufig voraus.
Doch was steckt eigentlich hinter diesem immer noch gängigen „Modebegriff“ Burn-Out? Was sind die Ursachen? Wer ist besonders gefährdet und wie bemerke ich eigentlich, dass ich chronisch erschöpft und nicht nur vorübergehend gestresst bin? „Der Begriff selbst verrät, was hinter dem Syndrom steckt: Menschen, die ein Burn-Out erleiden, fühlen sich innerlich wie ausgebrannt, zutiefst erschöpft von den Belastungen des Alltags, die gefühlt kein Ende nehmen.“, erläutert Dr. Matthias Schubring.
Geprägt wurde der Begriff bereits Mitte der 1970er Jahre von dem amerikanischen Psychotherapeuten Herbert Freudenberger. Er beschrieb damit ein Empfinden, dem sich vor allem Menschen in helfenden und pflegenden Berufen ausgesetzt sahen. „Doch längst beschränkt sich das Burn-Out nicht mehr nur auf Betroffene in sozialen Berufen, den so genannten Care-Mitarbeitenden“, weiß Diplom-Pädagogin Vanessa Rietmann. Gemeinsam mit drei Kolleg*innen berät, begleitet und coacht sie täglich Unternehmen, Einrichtungen und Betriebe, um ein möglichst gesundes Arbeitsumfeld für Mitarbeitende zu schaffen. „Wir legen den Blick von außen auf und erkennen relativ schnell, wo Risikobereiche und Schwachstellen liegen, die langfristig an der Gesundheit der Mitarbeitenden nagen könnten.“ Aus ihrer Sicht hat in den letzten Jahren auch das Interesse der Unternehmen an der Gesunderhaltung am Arbeitsplatz stark zugenommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil ein gesundes Arbeitsumfeld für viele Jobsuchende zu einem längst unverzichtbaren Kriterium geworden ist.
Geflecht aus Überlastungen
Oft sei es aber auch ein komplexes Geflecht aus beruflichen und privaten Überlastungen, die letztlich zur chronischen Erschöpfung führten: „Die alleinerziehende Mutter beispielsweise, die nach ihrer Arbeit nahtlos in die Kinderbetreuung übergeht und erst am späten Abend einmal zum Luft holen kommt“. Oder die gestresste Bürokauffrau, die nach ihrem Job ihre Mutter pflegt, den Haushalt schmeißt und zugleich noch zwei minderjährige Kinder betreuen muss, von denen eines zugleich mit starken Schulproblemen kämpft. Treffen kann es aber genauso auch den 78-jährigen äußerlich noch so fit wirkenden Schwiegervater, der seit vielen Jahren aufopferungsvoll seine an Demenz erkrankte Ehefrau pflegt, weil seine Frau fremde Pflegepersonen ablehnt.
Und manchmal liegt es auch einfach nur an den äußeren Umständen und der eigenen Persönlichkeit, dass Menschen chronisch überfordert werden:„Die Menschen erleben heute angefangen von der Digitalisierung und ständiger Erreichbarkeit, über den Fachkräftemangel bis hin zu den Dauerkrisen eine enorme Verdichtung auf allen Ebenen“, bemerkt Rietmann. Wer dann zum Beispiel ein grundlegend perfektionistisch veranlagter Mensch sei, komme manchmal einfach nicht mehr hinterher, den vielen einprasselnden Anforderungen zielorientiert und strukturiert zu begegnen“.
Und wie bemerke ich die ersten Vorzeichen eines Burn-Outs? „Bei manchen beginnt es mit Schlafstörungen, andere können sich immer schlechter konzentrieren, wiederum andere plagen dauernde Rücken- oder Kopfschmerzen oder sie wirken immer gereizt und angespannt“, erläutert der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und ergänzt: „Eigentlich alles Dinge, die immer mal auftauchen können.“
Doch beim Burn-Out sind die Betroffenen davon dann irgendwann dauerhaft belastet und kommen aus dem „Hamsterrad“ nicht mehr alleine raus. Insgesamt gebe es viele verschiedene Phasen, die Burn-Out Patient*innen durchlebten: Am Anfang stehe oft übertriebener Ehrgeiz und Perfektionismus. Daraus resultiere häufig eine hohe Einsatzbereitschaft, die zur Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse führe. Die letzten Stadien des Burn-Outs seien geprägt von Desinteresse und dem Gefühl von Sinnlosigkeit. „Eigeninitiative und Motivation sind dann oftmals am Nullpunkt angelangt“, skizziert Schubring. Eine totale körperliche, geistige und emotionale Erschöpfung sei dann vielfach in der letzten Phase des Burn-Outs erkennbar.
Identifikation mit einer Aufgabe
„Bei einem Burn-Out ist charakteristisch, dass eine Person sich mit einer Aufgabe oder einer Verpflichtung überidentifiziert. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Depression“, erklärt Schubring weiter und ergänzt: „Durch die starke Identifikation mit einer Aufgabe verausgabt sich der Betroffene. Er möchte seine Aufgabe möglichst gut erfüllen. Und er versucht, dies alleine und aus eigener Kraft zu schaffen. Bei Personen mit Burn-Out ist das Selbstwertgefühl sehr häufig eng an Leistung und Erfolg geknüpft, manchmal sogar fast ausschließlich. Betroffene nutzen Leistungserfolge dann als einzige Quelle, um ihr Selbstwertgefühl zu stabilisieren.“
Ein erster Schritt sei in jedem Fall die Erkenntnis, dass es sich um einen chronischen Zustand der Erschöpfung handelt, aus den man in der Regel alleine nicht herausfindet, sondern meistens an vielen Stellschrauben gleichzeitig drehen muss. Wie das Schritt für Schritt gelingen kann, wird das Expertenteam beim nächsten AlexTalk am 14.November ebenfalls ausführlich aufzeigen.
Wer mehr zum Thema chronische Erschöpfung erfahren oder auch eigene Fragen an die Expertenrunde richten möchte, ist zur Präsenzveranstaltung am 14. November um 18 Uhr in der IVZ im Südstadtquartier (Poststraße 6 in Ibbenbüren) herzlich eingeladen. Der Eintritt zur Veranstaltung ist kostenlos, der Einlass ab 17.30 Uhr bei freier Platzwahl geöffnet. Anmeldungen zur Veranstaltung werden erbeten an die Email: alextalk-hoerstel(at)alexianer.de