„Über die Magersucht schmerzliche Gefühle einfrieren“

Alex-Talk Essstörungen
Die Leitende Psychologin Dr. Diane Lange (l.) und EOS-Chefärztin Dr. Doris Sewing (r.) erläuterten im Gespräch mit Moderator Michael Bührke das Thema Essstörungen und beantworteten dabei auch viele Zuschauer-Fragen.

, EOS-Klinik, Münster

Expertinnen der EOS-Klinik erläuterten beim Alex-Talk Essstörungen und gefährliche Trends im Netz: 

Die Figur schlank und durchtrainiert, das Gesicht möglichst symmetrisch mit perfekter Haut – derartige „Idealbilder“ schöner junger Menschen kursieren tagtäglich millionenfach in den sozialen Medien durchs Netz. „Und geben damit vielen jungen Menschen eine Messlatte vor, die oft wenig mit dem realen Aussehen zu tun hat, sondern die eigenen vermeintlichen „Schwachstellen“ häufig nur noch mehr in den Fokus rückt“, betont Dr. Doris Sewing.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Diane Lange (Leitende Psychologin) stellte die Chefärztin der EOS-Klinik für Psychotherapie beim jüngsten Alex Talk das Thema „Essstörungen“ vor und ging dabei auch auf den Einfluss von Instagram, TikTok und Co ein. 

Dabei könne man zunächst meinen, dass unter dem aktuellen Trend der Diversität, der selbst bei bekannten Model-Wettbewerben nun eine gewisse Vielfalt an Aussehen und Körpermaßen zulasse, das Problem der nur schlanken Vorbilder gebannt sei. „Wenn wir aber einmal genauer auf das aktuelle Schönheitsideal blicken, so handelt es sich bei allen Frauen der Top 20-Liste nach wie vor um sehr schlanke Frauen“, bemerkt Sewing. Und an diesem öffentlichen Schlankheitsideal orientierten sich gerade oft Mädchen oder junge Frauen und fänden dann im Netz leider ebenso häufig unzählige „Hilfen“ und „Mager-Coaches“ zum Abnehmen. 

Auch Corona habe die Orientierung an Vorgaben in den sozialen Medien noch einmal verstärkt: „Mit rund 209 Minuten am Tag hat sich die Nutzungsdauer des Internets bei Jugendlichen in den letzten Jahren nahezu verdoppelt, parallel dazu ist auch die Zahl der plastischen Eingriffe massiv gestiegen“, skizzierte die Alexianer-Expertin. 

Laut einer Studie des RKI-Instituts weise nahezu jeder fünfte junge Mensch ein gestörtes Essverhalten auf, unter den Mädchen seien sogar 29 Prozent betroffen. Mit 1,3 Prozent an betroffenen Frauen sei die Magersucht zwar nicht die häufigste unter allen Formen der Essstörungen, andererseits aber die tödlichste und damit gefährlichste aller psychischen Erkrankungen. Hat sich dann erst einmal eine krankhafte Essstörung manifestiert, ist der Weg zur Heilung oft lang und mühsam“, berichtete Diplom-Psychologin Lange nachfolgend von beispielhaften Behandlungswegen in der EOS-Klinik.

„Insgesamt geht es bei der Anorexie ja um sehr viel mehr als nur ums Dünn sein und so sind auch die Ursachen oft sehr komplex“, ergänzt Sewing. So steckten ganz unabhängig vom Einfluss der sozialen Medien viele Betroffene häufig in einer tiefen sozialen Not: „Viele haben einfach Angst vor den Anforderungen, die ein Erwachsenenleben an sie stellt, trauen sich die Bewältigung nicht zu oder fühlen sich sozial nicht hinreichend eingebunden oder zugehörig,“, beschreibt Lange mögliche Ursachen. „Und dann hilft ihnen das Hungern dabei, ihre schmerzlichen Gefühle in eine Art Kühlschrank einzufrieren und sie weniger zu spüren“.                                      

Auch wenn das Internet mit all' seinen Facetten häufig nur als zusätzlicher Trigger bereits vorhandener Probleme fungiere, sei die Identitätsbildung für junge Menschen insgesamt durch die vielen Vergleichsmöglichkeiten in den sozialen Medien doch auch um einiges schwieriger geworden. Bei ernsthafter Erkrankung sei eigentlich immer ein Klinikaufenthalt der schnellste und effektivste Weg, dort über vielfältige therapeutische Ansätze den Teufelskreis der Krankheit zu durchbrechen. 

„Am Ende ist es in jedem Einzelfall ein harter, doch selbst nach jahrelanger Erkrankung fast immer lohnenswerter Weg!“, ermunterten die Expertinnen abschließend zum Aufsuchen professioneller Hilfe. 
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