„Sie sind nicht allein!“

30 Jahre Gerontopsychiatrische Beratung Münster
Blickten mit einem informativen Jubiläums- und Begegnungstag auf 30 Jahre Gerontopsychiatrische Beratung in Münster zurück: (v.l.) Stefan Werding (Moderation), Bürgermeisterin Maria Winkel, Annette Vaut (Angehörige), Dr. Tillmann Ruland (Oberarzt Alexianer), Dr. Alexandra Wuttke-Linnemann sowie das Beratungsteam mit Wilma Dirksen, Suzanne Reidick, Christiane Heymer und Dr. PH Birgit Leonhard. (Es fehlte erkrankungsbedingt Cornelia Domdey)

, Alexianer Münster GmbH

Gerontopsychiatrische Beratung der Alexianer feiert Jubiläums- und Begegnungstag für Angehörige.

Keine Frage: Als sich Wilma Dirksen vor gut 30 Jahren am 1. Juli 1992 auf den Weg machte, um ein gerontopsychiatrische Beratungsangebot für Betroffene und Angehörige in der Stadt Münster aufzubauen, war weder ihr noch ihren damaligen Unterstützern bewusst, wie wegweisend und bedeutsam dieser mutige Schritt für die Stadt und die gesamte Region einmal sein würde. Denn heute können Betroffene und ihre Angehörigen bei Demenz und anderen psychischen Erkrankungen im Alter auf ein breitgefächertes Angebot an Unterstützung und gezielten Hilfen zurückgreifen, die in den vergangenen drei Dekaden aus dem damaligen Meilenstein erwachsen sind. Mit einem informativen Begegnungstag für pflegende Angehörige feierten die Alexianer im Franz-Hitze-Haus nun das 30-jährige Bestehen ihres Beratungsangebots.

„Sie haben schon so vielen Menschen in schwierigen Lebenssituationen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ich danke Ihnen sehr für diese tolle Aufbauarbeit und die nunmehr schon drei Jahrzehnte unserer guten Zusammenarbeit!“, betonte Münsters Bürgermeisterin Maria Winkel in ihren Grußworten. Sie dankte dabei vor allem Wilma Dirksen „als Frau der ersten Stunde“, aber genauso ihrem Team für ein heute vorbildliches Beratungsangebot, das die Alexianer an der Josefstraße von Anfang an trägerübergreifend und in Kooperation mit der Stadt Münster anbieten.

So lag es nahe, dass die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle, Wilma Dirksen, Christiane Heymer, Birgit Leonhard und Suzanne Reidick auch den Tag ihrer Jubiläumsfeier selbst einmal mehr in den Dienst ihrer gemeinsamen Sache stellten: Mit interessanten Fachvorträgen, Workshops und vielen wertvollen Impulsen widmeten sie ihr Jubiläum einer Gruppe, die ihnen neben allen differenzierten Angeboten für die Betroffenen selbst mindestens genauso am Herzen liegt: den pflegenden An- und Zugehörigen von psychisch erkrankten älteren Menschen. Durch vielfältige Perspektiven, Fachbeiträge bis hin zu Musik und Entspannungsangeboten erfuhren die rund 100 Anwesenden an diesem Tag auf vielerlei Ebenen: „Sie sind nicht allein!“

Dass das Beratungsangebot dabei stets Teil eines großen Netzwerkes war und zugleich auch immer wieder ein Motor neuer Projekte, betonte Dr. Tillmann Ruland in seiner kurzen Rückschau auf die letzten drei Jahrzehnte. Der Leitende Oberarzt der Alexianer unterstrich ebenso die große Bedeutung des richtigen Umgangs mit Erkrankten bei Demenz, bei welchem immer wieder auch „Inseln des Selbst“ erkennbar werden.             

Kostbare Stunden                                                                                                             

Eindrucksvoll berichtete hiervon unter dem Titel „Wenn die Mutter verloren geht“ auch Annette Vaut als pflegende Angehörige ihrer 94-jährigen an Demenz erkrankten Mutter. Dank der guten Beratung habe sie nach und nach gelernt, bei der Begleitung die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden. Die professionelle Unterstützung habe somit eine „gewisse Leichtigkeit“ in den Umgang mit der Erkrankung gebracht: „So erlebe ich heute kostbare Stunden und eine ganz neue Nähe zu meiner Mutter und ich wünsche Ihnen allen, dass Sie auch immer diesen Schatz erkennen, der sich hinter der Erkrankung Ihres Angehörigen verbirgt!“

Welche zentrale Rolle die Selbstfürsorge der Pflegenden am Ende auch für die Erkrankten spielt, unterstrich Dr. Alexandra Wuttke-Linnemann in ihrem Vortrag mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Stresserleben von pflegenden Angehörigen: „80 Prozent sind chronisch gestresst und sind damit oft die stillen Patienten!“ So sei die eigene Resilienz auch ein entscheidender Faktor in der Beziehung, bemerkte die Expertin vom Mainzer Zentrum für psychische Gesundheit im Alter und gab den Anwesenden wertvolle Tipps für ihren Alltag mit nach Hause.

Hilfe annehmen

Einen praxisnahen Einblick in das Alleinstellungsmerkmal psychosozialer Angehörigenberatung gab Wilma Dirksen: Aus ihrem 30-jährigen Erfahrungsschatz skizzierte sie anhand von Fallbeispielen die Vielfältigkeit der Anliegen von Ratsuchenden und den Weg von der ersten Kontaktaufnahme bis hin zur Annahme von Hilfe und Akzeptanz der Situation.

Neben der Rückschau auf die Anfänge blickte das Beratungsteam am Ende auch auf die Herausforderungen der Zukunft. Dazu zähle etwa die wachsende Zahl psychisch erkrankter älterer Menschen bei gleichzeitig abnehmenden Kapazitäten in Gesellschaft und Familie, die mit veränderten Familien- und Lebensstrukturen einhergehenden komplexeren Beratungen oder auch die Zunahme an Beratungsbedarf für Menschen mit Migrationshintergrund.