„Wir bieten einen geschützten Raum, in dem unsere Klienten ihre Potenziale entfalten können, ohne Druck, sondern mit der Freiheit, sich auszudrücken und zu wachsen“, sagt Katja Waldeck. Die Mitarbeiterin des Psychosozialen Zentrums der Alexianer (PSZ) "Perlenfischer" in Bitterfeld-Wolfen betreut viele Klienten und Klientinnen mit psychischen Erkrankungen und bietet eine tolle Hilfe im Alltag.
Eine dieser Klientinnen ist Dorit J., für die ihre Kreativität mehr als nur eine Beschäftigung ist – sie ist ein heilender Akt, der ihr hilft, sich selbst zu finden und sich von den Fesseln ihrer psychischen Erkrankung zu befreien. Sie ist ein Raum, in dem ihre Gefühle und Gedanken in konkreten Formen Gestalt annehmen können. Die Kunsttherapie ist für viele Menschen mit psychischen Erkrankungen eine der hilfreichsten Formen der Therapie. Sie ermöglicht es, innere Konflikte zu visualisieren und sie gleichzeitig zu verarbeiten.
Dorit J. ist eine Frau, die ihre eigenen Wege gefunden hat, um mit den Herausforderungen ihrer psychischen Erkrankungen umzugehen. Die gebürtige Dresdnerin lebt heute in der Gemeinde Muldestausee in der Region Bitterfeld und ist Klientin des PSZ "Perlenfischer". Ihr Leben ist geprägt von psychischen Belastungen, die den Alltag stark einengen. Doch trotz dieser Herausforderungen gibt es etwas, das Dorit J. immer wieder Mut und Kraft schenkt: die Kunst. Schon während ihrer Jugend entdeckte die heute 54-Jährige ihre Leidenschaft für Kreativität. Damals bemerkte sie, dass Kunst nicht nur eine Beschäftigung, sondern eine wahre Quelle der Freude für sie war. Sie fand Trost und Erfüllung in der Gestaltung, im Schöpfen von etwas Neuem. Ihre Leidenschaft für die Kunst ist bis heute nicht nur ungebrochen, sondern sogar noch gewachsen.
Dorit J. bringt auch eine besondere Verbindung zur Natur mit, die sie nicht nur in ihrer Kunst, sondern auch in ihrem Alltag spürt. Spaziergänge mit ihrem Hund wurden für sie eine Quelle der Inspiration. Bei diesen Ausflügen fand sie unter anderem Entenfedern, die sie nicht einfach liegen ließ, sondern die sie sammelte und als Material für ihre Werke nutzte. Diese Geschichte zeigt, wie Dorit J. die Welt um sich herum wahrnimmt und wie sie sogar die unscheinbaren Dinge des Lebens zu etwas Kreativem umwandeln kann.
Lichtreise als Beginn von etwas Großem
Während ihrer Psychotherapie hat Frau J. die Gelegenheit bekommen, „Lichtreisen“ zu unternehmen. Diese Art der Lichttherapie erfolgt mit Hilfe einer speziellen Lampe, die durch intensives Flackerlicht bewirkt, dass das Gehirn bei geschlossenen Augen ein Feuerwerk geometrischer Formen in grellbunten Farben erzeugt. Dabei können auch nachwirkende Prozesse in Gang gesetzt werden, die bei der Heilung psychischer Erkrankungen helfen können.
Diese Therapiestunden waren der Start für eine große Reise, ihre Reise zu ihrer aktuellen Begeisterung für die Erschaffung von abstrakten Bildern. Sie erklärt: „Das hat mich zu einer Reihe von inzwischen mehr als 70 abstrakten Bildern inspiriert, bei denen ich versucht habe, einen Teil davon einzufangen.“ Eine Auswahl dieser Bilder hängt jetzt in den Räumlichkeiten des PSZ „Perlenfischer“ aus.
Der kreative Prozess als Befreiung: Zwischen Kunst und Selbstfindung
Frau J. arbeitet auch figürlich mit Ton, Holz und Stein, seitdem sie vor etwa 20 Jahren diese Materialien kennen und lieben gelernt hat. Sie erklärt: „Egal, welches Material ich in die Hand nehme, wenn ich mit einem Projekt beginne, habe ich fast nie eine Vorstellung, wie es am Ende aussehen wird. Das Werk entsteht erst während des Gestaltungsprozesses selbst.“
Manchmal starrt sie zu Beginn eines Projektes stundenlang auf das Material vor sich oder knetet den Ton einfach ziellos, aber irgendwann wird klar, in welche Richtung sie arbeiten will und es beginnt zu fließen. Es entwickelt sich ein Werk, das ihre Gedanken und Gefühle aufnimmt.
„Dabei lege ich Wert auf einfache Formen, die auch die Bewegungen eines Körpers oder des Geistes festhalten können. Außerdem will ich es nicht zu kitschig machen.“ sagt sie. Spontanität, Neugier und das Vertrauen in den Prozess, sind ein zentraler Bestandteil ihrer kreativen Arbeit. Reflexion und Selbstkritik sind Teil dieses kreativen Prozesses, aber sie geht dabei nicht mit zu viel Druck an die Sache heran. Sie lässt sich Zeit und hört auf ihre Intuition, anstatt sich in einem starren Plan zu verlieren.
"Irgendwann denke ich, dass es fertig ist. Dann höre ich auf. Es muss für mich stimmig sein. Aber ich würde nicht sagen, dass ich perfektionistisch bin. Ich muss einfach im Reinen mit mir selbst und zufrieden damit sein", erklärt die Künstlerin. "Ein angefangenes Projekt muss beendet werden, solange ich noch im Fluss der Arbeit bin. Mich treibt die Neugier an, wie sich ein Objekt bis zur Fertigstellung entwickelt, die dazu führt, eine begonnene Arbeit auch zu beenden.“ Das hilft ihr, inmitten ihrer inneren Turbulenzen etwas zu schaffen, das sie zufriedenstellt. Sie fügt hinzu: „Wenn ein angefangenes Projekt einmal liegen bleibt, dann bleibt es als ewige ‚Unfertigkeit‘ liegen.“
Der kreative Akt selbst ist für die Künstlerin eine Möglichkeit, sich von den inneren Kämpfen zu befreien, die sie täglich führt. Es ist eine Art der Meditation, die ihren Kopf beruhigt und die Gedanken in klare Bahnen lenkt.
Ein gutes Team
Katja Waldeck, die pädagogische Mitarbeiterin der Alexianer Ambulanten Dienste im PSZ, ist immer wieder beeindruckt von Dorits Kreativität und handwerklichem Talent. "Sie ist besser ausgerüstet als wir in der Ergotherapie", sagt Waldeck mit einem Lächeln, wenn sie über Dorit J`s eigene Werkstatt zu Hause spricht. Sogar ein Brennofen für ihre Keramik gehört zu ihrem Inventar. „Die Keramik als dreidimensionale Arbeit habe ich schon in Dresden während eines Klinikaufenthaltes für mich kennen und lieben gelernt. Das veranlasste mich auch zum Kauf des Brennofens“, erklärt sie. Später kamen dann die nicht plastischen Materialien wie Holz oder Stein dazu.
Die regelmäßigen Besuche von Katja Waldeck bei Dorit J. sind für die Künstlerin eine wichtige Stütze. Es ist eine Verlässlichkeit, die ihr guttut, denn der Umgang mit fremden Menschen fällt ihr nicht immer leicht. Doch im Vertrauen auf die pädagogische Mitarbeiterin kann sie sich öffnen und über ihre Kunst und ihre Gedanken sprechen. Diese menschliche Verbindung hilft ihr, sich zu stabilisieren und auch schwierige Tage zu überwinden. Dorit J. ist ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, den eigenen Weg zu finden – besonders in schwierigen Zeiten. Sie zeigt uns, dass Kreativität nicht nur eine Flucht ist, sondern eine Möglichkeit, tiefere Wahrheiten über sich selbst zu entdecken und zu heilen. Ihre Kunst ist nicht nur ein Hobby, sondern eine Quelle der Erfüllung und der Heilung. Sie liebt es, Figuren und Bilder zu schaffen. Für sie ist auch wichtig, wenn sie ein Projekt abschließen kann, selbst wenn es manchmal schwierige Tage gibt.
Dorit J. besitzt sogar eine eigene Website, auf der sie viele ihrer beeindruckenden Werke präsentiert: https://www.art-in-ton.eu/. Diese Seite ist nicht nur ein Portfolio ihrer Kunst, sondern auch ein Zeichen für ihre Selbstbestimmung und ihren Wunsch, ihre Werke mit anderen zu teilen.