Anpassungsfähigkeit gewinnt

Heute vor 365 Tagen, am 28. Februar 2020, wurde der erste Patient als Covid-Verdachtsfall im St. Josefs-Krankenhaus Potsdam aufgenommen. Im Verlauf des Frühjahrs 2020 breitete sich die Corona-Pandemie mit der Wucht eines Tsunami über Europa aus. Eine gewaltige Welle an Covid-19 erkrankten Menschen drohte das deutsche Gesundheitssystem zu überfluten. Die Mitarbeitenden im St. Josefs antworteten auf diese überschäumende Ungewissheit nicht nur mit außergewöhnlichem Engagement, sondern auch mit überwältigender Anpassungsfähigkeit. Wir blicken zurück.

Gelernt, das Beste aus der Pandemie zu machen

Gutes Management heißt immer auch: Szenarien durchspielen. Standards entwickeln. Vorbereitet sein. Aber was ist, wenn ein Ereignis eintritt, was von niemandem vorhersehbar war? Was kein Szenario abgebildet hat? Wofür keiner einen Masterplan hatte, den er einfach aus der Tasche ziehen konnte?

Covid-19 hat alles auf den Kopf gestellt

Von heute auf morgen wurde das Krankenhaus umgekrempelt. Erst eine Covid-Station, dann wurde bald die zweite eingerichtet. Infizierte Patienten strömten unaufhaltsam ins Krankenhaus. Gleichzeitig dünnten Covid-Infektionen innerhalb der Mitarbeiterschaft die Reihen aus. Um die Versorgung aufrechtzuhalten, war Flexibilität gefragt. Die bisher festen, durch Stationsgrenzen definierten Arbeitsbereiche wurden aufgebrochen. Mitarbeitende mussten sich in kürzester Zeit auf unbekannte Arbeitsumgebungen einstellen und an neue Kollegen gewöhnen.

Orthopäden standen plötzlich Seite an Seite mit Internisten an den Betten der Covid-Patienten, Physiotherapeuten unterstützten das Bettenmanagement und Mitarbeitende des Schreibdienstes dokumentierten die Kontaktpersonennachverfolgung. In Windeseile wurden fachliche Fähigkeiten weiterentwickelt, sodass beispielsweise mehr Pflegende auf den Intensivstationen einsetzbar waren. Neue Konstellationen der Zusammenarbeit wurden zur Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen installiert und die Interdisziplinarität der Teams wurde zum Erfolgsfaktor.

Bei Höchstgeschwindigkeit einen kühlen Kopf bewahren

Im Rückblick war einer der größten Knackpunkte die Geschwindigkeit, mit der sich die Lage veränderte und Entscheidungen getroffen werden mussten. Schon zu Beginn der ersten Welle wurde dafür ein Covid-19-Lagestab eingerichtet – ein schlagfertiges Gremium aus Geschäftsführung, ärztlichen und pflegerischen Vertretern sowie Hygienefachkräften und Unternehmenskommunikation. Zum Höhepunkt der Pandemie traf sich das Lageteam zweimal täglich, um der Dynamik des Infektionsgeschehens mit oftmals heuristischer Herangehensweise zu begegnen. Die getroffenen Lagebeschlüsse dieser Kriseninstitution wurden mit großer Akzeptanz von der Mitarbeiterschaft getragen. Gleichzeitig entwickelte sich, neben der teilweise militärisch anmutenden Entscheidungsfindung top-down, wie selbstverständlich auch eine gegenläufige Bewegung bottom-up.

Ins Leben gerufene, Klinik übergreifende Chefarzt-Oberarzt-Runden setzten die Beschlüsse um, spiegelten aber ebenso Verbesserungsvorschläge oder Konfliktfelder zurück in den Lagestab. Das Prinzip der kommunizierenden Röhren wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Pandemiebewältigung. Die wegen der immer schneller zu treffenden Entscheidungen drohende Überhitzung der gesamten Organisation konnte durch eine respektvolle Fehler- und Feedbackkultur verhindert werden. Diese musste sich jedoch erst entwickeln, was viel Kraft und Widerstandsfähigkeit jedes einzelnen gefordert hat. Schnelle Entscheidungen, hoher Druck und Ungewissheit können zu Frustration, Lähmung und Demotivation führen.

Klare Kommunikation als Schlüssel, Feedback als Vorteil

Umso wichtiger war es, die situationsbedingten Veränderungen möglichst klar und möglichst jedem zu kommunizieren und zu erklären. Durch die Kontaktbeschränkungen und Abstandsregelungen waren jedoch klassische Instrumente wie die Mitarbeiterversammlung plötzlich nicht mehr möglich. Die Kommunikationsmöglichkeiten waren aber auch noch nicht so digital aufgestellt, dass man ohne Weiteres ein alternatives Medium hätte nutzen konnte. Mittels regelmäßiger Mitarbeiter-Mails, Plakaten und Ausdrucken sowie den „Botschaftern“ aus dem Lagestab wurde versucht, das gesamte Krankenhaus regelmäßig zu informieren.

Für die teilweise auch an den Wochenenden oder ad hoc einberufenen Lagebesprechungen wurde ein virtueller Meetingraum geschaffen. Der Wunsch nach mehr Digitalisierung, zum Beispiel über eine Mitarbeiter-App, die es nahezu jedem ermöglicht hätte, via Push-Nachrichten die neuesten Entwicklungen zu verfolgen, begleitet das Team die gesamte Pandemie über.

Gegenseitiges Verständnis fördert Zusammenarbeit

Die zweite Welle des Covid-Tsunamis scheint nun vorerst am Abklingen zu sein. Wie so viele sehnen sich auch die Mitarbeitenden des St. Josefs-Krankenhauses nach Normalität und vor allem nach einer gewissen Verlässlichkeit im Alltag und klaren Rahmenbedingungen. Kein heute so, morgen so.

Trotz des mittlerweile bei allen einsetzenden Überdrusses an Pandemiethemen haben die Herausforderungen des letzten Jahres doch viele gute Erkenntnisse gebracht:

Alle sitzen in einem Boot. Ein Krankenhaus sicher und unbeschadet durch ein solches Fahrwasser zu manövrieren, erfordert Umdenken und den Einsatz eines jeden Einzelnen. Es braucht die Bereitschaft, Krankenhausabläufe grundsätzlich neu zu denken, Kompetenzen abzugeben oder in Situation zu improvisieren, Team- und Fachbereichsgrenzen aufzubrechen. All das hat ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit abgefordert und gefördert. Es hat das gegenseitige Verständnis, das Helfen untereinander, die respektvolle Begegnung unterschiedlicher Meinungen und das Zulassen eines Diskurses befördert. Eine riesen Wegstrecke wurde bewältigt und das Haus hat sich als Organisation und großes Josefs-Team weiterentwickelt. Keiner weiß, ob es eine dritte Welle gibt. Fest steht jedoch: die Christlichen Kliniken Potsdam können als Verbund improvisieren, mit Unsicherheiten umgehen und als Einheit immer eine Lösung finden!

Autorin: Friederike Röder